Substantiierungspflicht im selbständigen Beweisverfahren in Arzthaftungssachen

OLG Bremen, Beschl. v. 12.06.2019 - 5 W 6/19

Leitsätze

  1. Der Tatsachenvortrag für eine ärztliche Haftung im Rechtsstreit kann sich nicht darauf beschränken, eine ärztliche Behandlungsmaßnahme und eine damit in Zusammenhang stehende Gesundheitsbeeinträchtigung zu benennen, wenn nicht jedenfalls Anhaltspunkte dafür genannt werden, an welcher Stelle der Behandlung der Arzt vom geschuldeten Standard abgewichen sein soll.
  2. Eine im Erkenntnisverfahren nicht zulässige Ausforschung ist auch im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens nicht gerechtfertigt (BGH Beschluss vom 29.11.2016, VI ZB 23/16).

Aus den Gründen

Zwar findet im selbstständigen Beweisverfahren keine Erheblichkeits- oder Schlüssigkeitsprüfung statt und es ist auch auf die Informationsnot der beweispflichtigen Partei Rücksicht zu nehmen, doch gilt im Rahmen des § 487 Nr. 2 ZPO das Verbot des Ausforschungsbeweises bei unsubstantiiertem Vorbringen. Eine im Erkenntnisverfahren nicht zulässige Ausforschung ist auch im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens nicht gerechtfertigt. Insbesondere ist das zu fordernde minimale Maß an Substantiierung hinsichtlich der gemäß § 487 Nr. 2 ZPO zu bezeichnenden Beweistatsachen jedenfalls dann nicht erreicht, wenn der Antragsteller in lediglich formelhafter und pauschaler Weise Tatsachenbehauptungen aufstellt, ohne diese zu dem zu Grunde liegenden Sachverhalt in Beziehung zu setzen. …

Verbot der Ausforschung

Der Tatsachenvortrag für eine ärztliche Haftung im Rechtsstreit kann sich also nicht darauf beschränken, eine ärztliche Behandlungsmaßnahme und eine damit in Zusammenhang gestellte Gesundheitsbeeinträchtigung zu benennen, wenn nicht jedenfalls Anhaltspunkte dafür genannt werden, an welcher Stelle der Behandlung der Arzt vom geschuldeten Standard abgewichen sein soll. Dies kann nämlich theoretisch in vielfältiger Weise geschehen sein, z.B. durch Fehler bei der Diagnose, der Wahl der konkreten Behandlungsmaßnahme, bei deren konkreter Durchführung oder in der Art und Weise der Nachsorge. Eine Fragestellung, die undifferenziert jedes mögliche Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Behandlung eines Patienten erfassen soll, erfüllt die - im selbstständigen Beweisverfahren möglicherweise niedrigeren - Anforderungen an die notwendige Substantiierung nicht. Eine - unzulässige - Ausforschung liegt damit beispielsweise vor, wenn sich der Antragsteller auf die schlichte Frage beschränkt, ob ein Behandlungsfehler vorliegt.

Fundstelle

BeckRS 2019, 11837

Datum

Rechtsgebiet Arzthaftungsrecht

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