Wahrscheinlichkeits-Angaben im Rahmen ärztlicher Aufklärung (BGH, Urteil vom 29.01.2019 – VI ZR 117/18)

Wahrscheinlichkeitsangaben im Rahmen der Selbstbestimmungsaufklärung vor einer ärztlichen Behandlung haben sich grundsätzlich nicht an den in Beipackzetteln für Medikamente verwendeten Häufigkeitsdefinitionen des Medical Dictionary for Regulatory Activities zu orientieren. Dies gilt auch, wenn die Wahrscheinlichkeitsangaben in einem (schriftlichen) Aufklärungsbogen enthalten sind.

Es genügt vielmehr, den Patienten „im Großen und Ganzen“ über Chancen und Risiken der Behandlung aufzuklären und ihm dadurch eine allgemeine Vorstellung von dem Ausmaß der mit dem Eingriff verbundenen Gefahren zu vermitteln, ohne diese zu beschönigen oder zu. Dabei ist es nicht erforderlich, dem Patienten genaue oder annähernd genaue Prozentzahlen über die Möglichkeit der Verwirklichung eines Behandlungsrisikos mitzuteilen.

Erweckt der aufklärende Arzt beim Patienten aber durch die unzutreffende Darstellung der Risikohöhe eine falsche Vorstellung über das Ausmaß der mit der Behandlung verbundenen Gefahr und verharmlost dadurch ein verhältnismäßig häufig auftretendes Operationsrisiko, so kommt er seiner Aufklärungspflicht nicht in ausreichendem Maße nach.

Eine vom OLG Nürnberg – und teilweise auch in der Literatur – vertretene andere Auffassung wird vom BGH ausdrücklich nicht geteilt.

Anmerkung

Die klarstellende Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist gut und richtig, da das vertrauensvolle Arzt-Patienten-Gespräch ansonsten überfrachtet würde und für den Patienten noch unverständlicher wäre. Der Arzt muss dem Patienten richtigerweise vermitteln, "worauf er sich einlässt", wenn er der Behandlung zustimmt, ohne ihm - ohnehin fragliche - prozentuale Wahrscheinlichkeiten vorzurechnen.

Fundstelle

BeckRS 2019, 3134 ◊ LSK 2019, 3134 (Ls.); MDR 2019, 482; NJW 2019, 1283

Datum

Rechtsgebiet Arzthaftungsrecht

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